Gemeinschaftswandel (2003)
Medienwandel – Gemeinschaftswandel?
Workshop der DGPuK-Fachgruppen “Soziologie der Medienkommunikation” und “Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht” vom 10. – 11. Oktober 2003 in Münster, Tagungszentrum Franz-Hitze-Haus
Organisation: A. Hepp, J. Röser
Tagungskonzept:? Es ist ein impliziter Ausgangspunkt vieler theoretischer und empirischer Arbeiten, dass der Wandel von Medien und der Wandel von Gemeinschaften miteinander in Beziehung stehen. Fokus früher Fernsehrezeptionsstudien war die Auseinandersetzung damit, wie Medienhandeln in Beziehung steht zur Konstitution von Lebensgemeinschaften und Geschlechterpositionen im häuslichen Kontext.?Inhaltsanalytische Untersuchungen zu den verschiedenen Massenmedien haben diese als Instanzen der Konstruktion von vorgestellten Gemeinschaften wie die der Nation gefasst. Mit zunehmender Orientierung der Medien- und Kommunikationswissenschaft auf populäre Medien wurden auch Interpretations- und Fangemeinschaften populärer Genres Gegenstand von Aneignungsstudien. Die Cyberculture- und Netzkommunikationsforschung fokussierte sich darauf, wie im Internet (neue) virtuelle Gemeinschaften entstehen. Heute verändert der Trend zu personalisierten Technologien Konzepte familiärer, partnerschaftlicher und beruflicher Gemeinschaft(en). Damit zusammenhängend nimmt sich die Forschung im Bereich der Mobilkommunikation der Frage an, wie sich Gemeinschaftsstrukturen ändern, wenn medienvermittelte kommunikative Konnektivität wesentlich stärker personen- denn ortsbezogen strukturiert ist. Gemeinschaften sind in all diesen Zugängen als mehr oder weniger stabile soziale Formationen (und nicht etwa essentialistisch als Wesensgemeinschaften) zu verstehen.
Die Beziehung von Medienwandel und Gemeinschaftswandel war und ist somit seit Jahren auf vollkommen unterschiedlichen Ebenen Thema der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Ziel des Workshops ist es, dieses ‘implizite Thema’ der Medien- und Kommunikationswissenschaft eigenständig in den Blick zu rücken. Hierbei sollen auf der einen Seite die verschiedenen, häufig beiläufigen Theorien zum Verhältnis von Medien- und Gemeinschaftswandel expliziert und problematisiert werden. Auf der anderen Seite soll es darum gehen, anhand der Diskussion aktueller, aber auch ‘klassischer’ empirischer Studien Prozesse des Wandels in Bezug auf Medien und Gemeinschaft zu diskutieren. Die Themen, denen sich der Workshop dabei stellen möchte, sind bewusst breit gefächert:
• Wie lassen sich die Konzepte von Medienwandel und Gemeinschaftswandel – gerade in ihrer Beziehung zueinander – theoretisieren? Welche Möglichkeiten bieten hier neuere theoretische Entwicklungen wie beispielsweise die Konnektivitätstheorie?
• Mit welchen Methoden lassen sich Medien- und Gemeinschaftswandel in ihrer Prozesshaftigkeit empirisch angemessen fassen? Welche methodischen Anforderungen ergeben sich hier aus der notwendigen ‘diachronen’ Betrachtungsperspektive?
• Der häusliche Kontext, das Zuhause, ist der Ort, an dem die Aneignung von Medientechnologien wesentlich stattfindet: Wie verändern sich häusliche Gemeinschaften durch den Einzug neuer Medientechnologien, durch den Trend zu personalisierten Technologien und zur Vervielfältigung der Geräte? Welche Folgen zeigen sich z.B. für die Gestaltung der Familieninteraktionen (z.B. Fragmentierung der Familie), die familiären Generationenbeziehungen (z.B. Ermöglichung und Verhinderung von Gemeinschaft via Medien) und für die Geschlechterbeziehungen (Veränderungen von Raumaufteilungen, Gendering im Umgang mit Medientechnologien)?
• Wenn Generationenwandel auch Gemeinschaftswandel ist, welchen Stellenwert haben hier die Medien und der Wandel von Kommunikation(sformen)? Welchen Status beispielsweise haben unterschiedliche Medien in bestehenden Gegensätzen von jugendkulturellen Gemeinschaften und Gemeinschaften älterer Menschen? Oder ermöglichen zunehmend medial vermittelte Populär- und Freizeitkulturen neue generationenübergreifende Vergemeinschaftungen?
• Inwieweit trägt der Medienwandel auch zu einem Wandel politischer Gemeinschaften bei? Gehen beispielsweise mit der Etablierung digitaler Medien Veränderungen politischer Handlungsräume einher? Welche Differenzen bestehen dabei auf unterschiedlichen nationalen, regionalen, lokalen bzw. deterritorialen Ebenen?
• Auf welche Weise hat die Globalisierung der Medienkommunikation und der mit ihr verbundene kulturelle Wandel zu Prozessen des Gemeinschaftswandels beigetragen? Welchen neuen Vergemeinschaftungen konnten hier entstehen bzw. welche Veränderungsprozesse zeichnen sich ab? Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für transkulturelle Kommunikation?