Wissen schafft Praxis: Mobilität vulnerabler Personen als Beispiel 

Gerit Götzenbrucker

 

Gerit Götzenbrucker, Universität Wien

Wissenschaftsskepsis in der Bevölkerung (Starkbaum et al., 2023) ist eine Barriere im wissenschaftlichen Informations- und Wissenstransfer, der mit größtmöglicher Sensibilität, Transparenz und Offenheit der Forschung zu begegnen ist. Insbesondere sensible Themenstellungen zu Gesundheitsfragen vulnerabler Bevölkerungsgruppen, die – wie im Projektbeispiel „Angstfrei mobil!“ – aufgrund von erlebten Ängsten im öffentlichen Personennahverkehr ihre Mobilitätsfreiheiten einbüßen, sind aufgrund diverser Interessen und Beteiligungsansprüche herausfordernd. Nicht nur die direkte Partizipation von Betroffenen, sondern auch die Einbindung öffentlicher Infrastrukturbetreiber (Wiener Linien, Wiener Lokalbahnen, WIPARK), Beratungsstellen (Verkehrspsychologie, Psychosozialer Dienst, Jugendcoaching) sowie Selbsthilfegruppen (zu Angsterkrankungen) schaffen breiter ausgelegte und anerkannte Grundlagen für gleichbehandelnde – über physische Einschränkungen hinausgehende – innovative Planungsprozesse. So erweitern insbesondere Geomedien wie digitale Routenplaner und Assistenzsysteme die Orientierung, Planungsmöglichkeiten und Erfahrungsdimensionen der Betroffenen im angstbesetzten Mobilitätsprozess. 

Die Forschung integriert sensible Interviews und Mobilitätsspaziergänge, was tiefe Einblicke in die Bedürfnisse der psychisch belasteten Personengruppe liefert. Betroffene werden in diesem Prozess jedenfalls als Expert:innen ihrer Situation mit explizitem aber auch implizitem Wissen, Multiplikator:innen, aber auch Kritiker:innen wertgeschätzt. 

Ziel ist, neben der Erhebung von expliziten Wissensbeständen auch implizites und prozedurales Wissen für die Allgemeinheit nutzbar zu machen. Eine interdisziplinäre Ethik-Kommission an der Universität Wien sichert Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten, entsprechende Erhebungsinstrumente sowie Datenmanagement samt Rücktrittsrechten und adäquate Disseminationsstrategien. Neben Endergebnissen sollten auch Teilergebnisse iterativ im (mehrjährigen) Forschungsverlauf notwendiges Verstehen und Verständnis schaffen. 

Eine digitale Plattform für Wissenstransfer an unserer Fakultät erlaubt Rückflüsse nicht nur in wissenschaftliche Communities, sondern auch in gesellschaftliche Bereiche mit öffentlichem Interesse sowie in die Gesamtgesellschaft – jeweils auf den Ebenen der Wissensproduktion, Wissensweitergabe und Wissensverwertung. Neben der wissenschaftlichen Dissemination neuer (methodologischer) Erkenntnisse in Fachpublikationen und Tagungsvorträgen sowie forschungsgeleiteter Lehre sollte open science die wissenschaftliche Integrität sichern. 

Darüber hinaus ist auch die Dissemination von Forschungswissen in Bereiche mit öffentlichem Interesse sowie der Fachindustrie sinnvoll, um unternehmensinterne Öffentlichkeiten zu erreichen; Projektförderung und Beteiligung bringt wie im besprochenen Beispiel Wissensbestände in Diskussion: Expert:innenworkshops mit den Wiener Linien sowie weiteren Fachöffentlichkeiten (Hilfsfond, Verkehrspsychologie, Verkehrsclub oder Selbsthilfevereine) mündeten letztlich auch in Umsetzungsstrategien. Gesellschaftliche Reichweite bringen Projektwebsites, Social Media Auftritte, Befragungen, Broschüren sowie partizipative Veranstaltungen. Die Wissensweitergabe in Schulen durch Wissenschaftsbotschafter:innen wirkt ebenso nachhaltig wie verkehrspsychologische Beratung und gezielte Medienarbeit für „Angstfrei mobil!“.

Referenzen:
Johannes Starkbaum et al. (2023): Ursachenstudie zu Ambivalenzen und Skepsis in Österreich in Bezug auf Wissenschaft und Demokratie – Endbericht. Wien. Verfügbar unter: BMBWF-Publikationenshop