Selbstverständnis der Fachgruppe Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht
1. Selbstverständnis und Entwicklung der Fachgruppe
Die Fachgruppe „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“ versteht sich als Forum für Wissenschaftler*innen, die sich mit der Relevanz der Kategorie Geschlecht in Produktion, Inhalten und Rezeption mediatisierter und medialer Öffentlichkeiten unter den jeweiligen sozialen, historischen, kulturellen, (medien-)technologischen und ökonomischen Bedingungen und Machtverhältnissen auseinandersetzen. Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung verstehen wir somit als kritische Gesellschaftsanalyse, die sich theoretisch wie empirisch mit den mittels Medien erzeugten und reproduzierten Geschlechterkonstruktionen und -verhältnissen sowie deren Herausforderungen und Wandel befasst.
Die Fachgruppe „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht” begann ihre Arbeit 1990 als „Arbeitsgruppe Frauenforschung”. Noch bevor Fachgruppen in der DGPuK etabliert wurden, trafen sich Kommunikationswissenschaftlerinnen, die sich mit Geschlechterrollen in den Medien, geschlechtsspezifischen Berufsrollen der Kommunikator*innen sowie geschlechtsspezifischen Rezeptionsweisen befassten. Die Bezeichnung „Frauenforschung” macht deutlich, dass der Impuls für diese Forschungsfragen von einem Interesse an der spezifischen Beteiligung von Frauen am Prozess der Medienproduktion und -rezeption sowie an ihrer Darstellung im Medienprodukt ausgelöst wurde. Die Frauenforschung hat entscheidenden Anteil an theoretischen Ausarbeitungen und empirischen Studien zu Geschlechter- und Machtverhältnissen und insbesondere zur Situation von Frauen in Medienbetrieben, zur Repräsentation von Frauen in verschiedenen Medienangeboten sowie zu geschlechtsspezifischen Rezeptionsweisen. Die theoretische Entwicklung von der Frauen- zur Geschlechterforschung wird im aktuellen Namen der Fachgruppe „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“ sichtbar. Ob Kommunikator*innenforschung, Rezeptionsforschung oder Medienforschung – in allen Feldern stellt sich die Frage nach der immanenten (oftmals nicht explizierten) Relevanz der Kategorie Geschlecht bei der Konstruktion medialer Wirklichkeiten. Das Forschungsinteresse reicht damit deutlich über die Suche nach der spezifischen Rolle von Frauen in den Medien hinaus.
2. Gegenstand der Fachgruppe
Geschlecht bildet eine der zentralen gesellschaftlichen Kategorien, die Identitäten, Praktiken, Strukturen und Machtverhältnisse hervorbringen und prägen. In mediatisierten Gesellschaften spielen Medien und mediatisierte Kommunikation dabei eine zentrale Rolle. In Medien und ihrer Rezeption finden einerseits gesellschaftliche Verhältnisse ihren Ausdruck, andererseits sind Medien zugleich auch Produzent*innen dieser Verhältnisse, indem sie Ereignissen Bedeutung zuschreiben und Identitäten (mit)konstruieren.
Als Prozess- und Strukturkategorie ist Geschlecht in alle Praktiken mediatisierter interpersonaler, gruppenbezogener und öffentlicher Kommunikation eingeschrieben und dabei gleichzeitig mit anderen Kategorien wie beispielsweise Alter, race, Ethnie, Klasse, Sexualität, Körper verwoben, was einen intersektionalen Forschungsansatz nahelegt.
Die Fachgruppe befasst sich mit den folgenden Punkten:
- Erforschung der Bedeutung von Geschlecht in massenmedialen Öffentlichkeiten, insbesondere in professionellen Produktionskontexten wie Journalismus, Werbung, Public Relations und Organisationskommunikation sowie in mediatisierten, digitalen, interpersonalen und gruppenbezogenen Öffentlichkeiten;
- Erforschung der Bedeutung von Geschlecht in medialen Repräsentationen sowie deren Rezeption und Aneignung;
- Einbezug transnationaler Perspektiven, die Interdependenzen/Zusammenhänge auf allen Ebenen der Produktion, Medienrepräsentationen und -inhalte und Rezeption in den Blick nimmt;
- Kontinuierliche Theorieentwicklung in Bezug auf Medien, Öffentlichkeit(en) und Geschlecht;
- Methodische Weiterentwicklung von Instrumentarien zur Analyse der Wirkmächtigkeit und Relevanz von Geschlecht auf allen Ebenen von Medien- und Kommunikationsprozessen sowie Reflexion der methodischen Reproduktion von Geschlecht und Zweigeschlechtlichkeit
3. Zielsetzung
Das primäre Ziel der Fachgruppe besteht in der Förderung einer kommunikationswissenschaftlichen Geschlechterforschung und der Vernetzung und Unterstützung von Wissenschaftler*innen, die ihre Forschung in diesem Bereich verorten. Dies beinhaltet auch die Unterstützung des sog. wissenschaftlichen Nachwuchses. Als kritische Forschung bearbeitet die Fachgruppe alle Felder der Kommunikationswissenschaft und versteht sich als inter- bzw. transdisziplinär über die verschiedenen Subdisziplinen der Kommunikations- und Medienwissenschaft hinweg. Um das sekundäre Ziel von Interventionen hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung und der Anerkennung einer Vielfalt der Geschlechter in Gesellschaft, Medien und Alltag zu erreichen, arbeitet die Fachgruppe stetig daran, den Dialog mit Vertreter*innen aus Medien, Politik und Wirtschaft zu fördern. Sie trägt so die Forschung über die Kommunikationswissenschaft hinaus und damit zur gesellschaftlichen Diskussion und einer geschlechtergerechten Gesellschaft bei.
4. Arbeit der Fachgruppe
Die Fachgruppe „Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“ bietet Foren für die Thematisierung, Präsentation und Diskussion geschlechtertheoretischer und intersektionaler Fragestellungen in der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Sie nutzt für die Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen neben den Jahrestagungen der DGPuK die ebenfalls jährlich stattfindenden Arbeitstreffen und Fachgruppentagungen. Als Fachgruppe, die sich mit dem gesamten Prozess der Kommunikation und mit Medien aus geschlechtertheoretischer Perspektive befasst, legt sie ein besonderes Gewicht auf die Kooperation und den Austausch mit anderen Fachgruppen der DGPuK, mit internationalen kommunikationswissenschaftlichen Fachgesellschaften (z.B. IAMCR, ECREA, ICA), mit Fachgesellschaften mit Schwerpunkt Geschlechterforschung sowie mit der Praxis und Berufsverbänden wie z.B. dem Journalistinnenbund.
Die Fachgruppe setzt sich für die Förderung des an spezifischen Fragestellungen der kommunikationswissenschaftlichen Geschlechterforschung interessierten wissenschaftlichen Nachwuchses ein, indem sie sowohl Möglichkeiten der Präsentation und Diskussion eigener Projekte im Rahmen der DGPuK-Jahrestagungen als auch innerhalb der Fachgruppentagungen und Workshops schafft. Hiermit soll Wissenschaftler*innen die Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung mit erfahrenen Wissenschaftler*innen gegeben und ein Engagement in der Fachgruppe gefördert werden. Eng kooperiert wird mit den Nachwuchssprecher*innen der DGPuK und mit dem Gertrude J. Robinson Mentoring-Programm in der DGPuK.
(Stand: 10.05.2018)
Hier finden Sie die Jahresberichte der Fachgruppe.