Einmal lang ist nicht dasselbe wie mehrfach kurz

 

 

 

Armin Scholl, Universität Münster

Nachdem Habilitationsschriften, wenn sie überhaupt noch verfasst werden, meist kumulativ in mehrere Fachzeitschriftenaufsätze aufgeteilt werden, kommen auch zunehmend publikationsbasierte (kumulative) Dissertationen zum Einsatz. Damit einher geht die Tendenz, dass in der wissenschaftlichen Laufbahn möglicherweise überhaupt kein Buch mehr geschrieben wird. Denn neben der Monografie sind auch herausgegebene Aufsatzsammlungen, z.B. Tagungsbände, wissenschaftlich schlechter angesehene Publikationsorgane. Erstaunlich ist dabei, dass in der Kommunikationswissenschaft geradezu medienwissenschaftlich argumentiert wird: Das „Medium“ Buch hat sich überholt; der Artikel in Fachzeitschriften ‒ natürlich nur der in peer reviewten und am besten international spitzenmäßig gerankten Fachzeitschriften ‒ zählt etwas in Berufungskommissionen, wenn es um die wissenschaftliche Reputation angeht. Monografien und Aufsatzsammlungen wird ein Mangel an externer Begutachtung angekreidet. Was kein Review-Verfahren durchlaufen hat, hat per se einen geringeren wissenschaftlichen Wert. Da die Scientific Community jedoch eine soziale Einrichtung ist, ist auch bei Review-Verfahren mit einigen dysfunktionalen sozialen Faktoren zu rechnen: Konkurrenzneid, Anpassung, Nivellierung, Ausgrenzung … ‒ dazu gibt es in der Wissenschaftssoziologie interessante Debatten. Letztlich entscheidet dann doch die Rezeption wissenschaftlicher Publikationen nachträglich über deren Qualität und eben nicht allein die Vorabprüfung, so notwendig diese für die Qualitätssicherung natürlich ist.

Bevor der Verdacht aufkommt, dass jetzt ein kitschig-nostalgisches Plädoyer für das Buch oder die Monografie folgt, argumentiere ich im Folgenden streng funktionalistisch, also welche exklusive Funktion die Monografie im wissenschaftlichen Publikationsprozess erfüllt. Mir fallen mindestens zwei inhaltliche Gründe ein, die für die Monografie sprechen und dass ihre Stärke diesbezüglich kaum zu kompensieren ist:

1) Groß angelegte theoretische Arbeiten waren und sind oft Monografien. Als Jurymitglied für die Vergabe des DGPuK-Theoriepreises habe ich die Erfahrung gemacht, dass Fachzeitschriftenaufsätze gegenüber Monografien immer im Nachteil sind, weil sie nur komprimiert argumentieren können. Wer in einem Aufsatz oder Artikel eine Theorie entwickelt oder theoretisch forscht, also Theorien auf ihre Konsistenz oder Anwendbarkeit untersucht oder miteinander vergleicht, muss schnell auf den Punkt kommen und kann den Gang der Argumentation nicht detailliert, langsam und behutsam ausführen, kann die Argumente nicht gegeneinander abwägen und die Kontingenz der eigenen Reflexion mitreflektieren. Dafür fehlt einfach der Platz, den eine Monografie zur Verfügung stellt. Theoretisch originell kann man dagegen auch in Artikelform argumentieren. Deshalb haben wir in diesem Jahr erstmalig einen Fachzeitschriftenartikel mit einem zusätzlichen Theoriepreis auszeichnen dürfen.

2) Auch Lehrbücher kann ich mir nicht als Folge von Artikeln in Fachzeitschriften vorstellen. Ein Lehrbuch muss zwar keine Monografie sein, sondern kann auch ein herausgegebenes Buch sein, aber die Alleinautor:innenschaft hat ihren eigenen Reiz und Zweck: die innere Stringenz und die klar herausgearbeitete Perspektive, die wiederum Anlass für Kontroversen, also für den wissenschaftlichen Diskurs bieten kann. Egal, ob Lehrbücher einen instrumentellen Zweck verfolgen (z.B. die praktische Anwendung von Methoden) oder reflektieren sollen (z.B. einen Forschungsstand zusammenfassen und kritisch bewerten), ihr Anliegen lässt sich nicht in der Addition kurzer Publikationsformen realisieren, sondern benötigt die Langform. In der Leichtathletik würde man einen 10.000-Meter-Lauf auch nicht in fünfundzwanzig 400-Meter-Läufe aufteilen.