Qualifikationsverfahren zwischen Standardisierung und Flexibilisierung

  Sarah Kohler
  (Karlsruher Institut für Technologie)

 


 

  Paula Nitschke
  (Universität Augsburg)

 


 

  Christian Strippel
  (Freie Universität Berlin)

 

 

 

In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für Promotionen und Habilitationen als zentrale Verfahren der (kommunikations-)wissenschaftlichen Qualifikation im deutschsprachigen Raum verändert. Zum einen entstand mit der kumulativen Promotion an vielen Universitäten eine Alternative zu der bislang geforderten Dissertationsschrift in Buchform; zum anderen schwächte die Einführung der Juniorprofessur die maßgebliche Rolle der Habilitation als Voraussetzung für eine Berufung zur Professur. Für jene, die sich wissenschaftlich qualifizieren wollen, eröffnen diese Veränderungen neue Wege für ihre Laufbahn, was zunächst einmal begrüßenswert ist. Mit dieser Flexibilisierung der Qualifikationswege gehen allerdings auch neue Herausforderungen für die Vergleichbarkeit der verschiedenen Wege einher. So herrscht eine gewisse Unübersichtlichkeit über die verschiedenen Anforderungen, was sowohl seitens der sich Qualifizierenden als auch der Gutachterinnen und Gutachter zu Verunsicherung führen kann.


Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die DGPuK zwei Arbeitsgruppen eingesetzt, die Übersichten über die Rahmenbedingungen der Promotionen und Habilitationen im Fach erarbeitet haben. Die erste Arbeitsgruppe, bestehend aus Annekatrin Bock, Isabelle Borucki, Denise Sommer und Christian Strippel, hat in der Zeit von 2014 bis 2016 eine Inhaltsanalyse von 65 Promotionsordnungen durchgeführt, deren Ergebnisse im vergangenen Jahr in Studies of Communication and Media veröffentlicht wurden. Die zweite Arbeitsgruppe, bestehend aus Felix Frey, Sarah Kohler, Paula Nitschke und Helena Stehle, hat ihre Arbeit im vergangenen Jahr aufgenommen und führt gerade eine Inhaltsanalyse der relevanten Habilitationsordnungen im deutschsprachigen Raum durch.


Die Studien beider Arbeitsgruppen können allerdings nur die empirische Grundlage und den Anstoß für notwendige Diskussionen innerhalb der Fachgesellschaft, der Fachbereiche und Institute liefern. Im Fokus dieser Diskussionen sollten aus unserer Sicht insbesondere die Funktion, Standards und Mindestanforderungen der beiden Qualifikationsverfahren stehen. Mit dem Aviso-Debattenheft zu Promotionsverfahren in der Kommunikationswissenschaft vom Frühjahr 2017 (Nr. 64) wurde für die Promotion bereits ein erster Schritt getan, für die Habilitation bzw. “habilitationsäquivalente Leistungen” ist eine solche Diskussion hingegen bislang noch ausgeblieben. Dabei ist eine Diskussion hier besonders dringlich, da die Möglichkeiten zur Bewältigung der Qualifizierungsstufe noch vielfältiger sind. So wurde die monografische Habilitation nicht nur um die kumulative Habilitation ergänzt, sondern es liegen durch die Einführung des Fachmentorats in Bayern zwei grundsätzlich unterschiedliche Verfahren vor. Da die Habilitationsleistungen durch das Fachmentorat individuell ausgestaltet werden, bieten die Ordnungen keine Orientierung, welche konkreten Anforderungen für die Habilitation – zum Beispiel Umfang und Anzahl der Einzelarbeiten im Kumulus – gefordert sind. Die Spannbreite der Detailgenauigkeit in den Vorgaben ist jedoch auch in den anderen Bundesländern enorm und berührt damit noch nicht einmal Juniorprofessuren sowie die Berufung aufgrund sonstiger Habilitationsäquivalente.


Es ist unwahrscheinlich, dass die derzeitige Vielfalt der Qualifikationswege bald schon wieder abnehmen und einer breiten Standardisierung weichen wird. Mit Blick auf die Wahlfreiheit für jene, die sich wissenschaftlich qualifizieren wollen, wäre dies aus unserer Sicht auch nicht unbedingt wünschenswert. Gleichwohl scheint uns die Frage nach der Funktion und den Standards der verschiedenen Qualifikationswege vor allem deshalb relevant, weil ansonsten unbeobachtet bleibt, was sich im Zuge der Ausweitung und Flexibilisierung der Qualifikationsmöglichkeiten genau geändert hat.