Im Schneckentempo vorwärts. Gleichstellung in der Medien- und Kommunikationswissenschaft
Elizabeth Prommer (Leiterin des Gertrude-Joch-Robinson Mentoring Programms;
Universität Rostock)
Claudia Riesmeyer
(Ludwig-Maximilians-Universität München)
Noch immer hält sich der Verdacht hartnäckig, Frauen würden qua Geschlecht Professorin in unserem Fach, Männer hingegen nicht und seien damit benachteiligt. Dieser Verdacht wird manchmal offen, manchmal hinter verdeckter Hand geäußert. Ein irreführender Mythos, wie sich mit Blick auf die aktuellen Berufungen des Jahres 2019 im Fach leicht zeigen lässt. Denn nach wie vor sind Frauen in der Medien- und Kommunikationswissenschaft (KMW) unterrepräsentiert. Sie wurden auch in den letzten Jahren nicht überproportional berufen. Einer Mehrzahl weiblicher Studierender auf Bachelor- und Masterniveau steht eine Unterzahl von Professorinnen gegenüber, wobei aktuelle Zahlen für die KMW bislang fehlten. Deshalb ermittelten wir den aktuellen Frauenanteil und erfassten alle Professuren für KMW, die an Einrichtungen tätig sind, die im November 2019 auf der DGPuK-Homepage genannt wurden. Rang und Geschlecht recherchierten wir mit Hilfe zahlreicher Fachkolleg:innen.
Die Daten zeigen: 1) Frauen besetzen etwas mehr als ein Drittel der Professuren, knapp zwei Drittel sind mit Männern besetzt. Dabei werden starke regionale Unterschiede deutlich. In Sachsen sind die wenigsten Frauen Professorin (17%). NRW (46%), Berlin (44%) und Baden-Württemberg (43%) sind führend. 2) Je höher die Professur dotiert ist, umso mehr Männer sind vertreten. In den vergangenen 16 Jahren verdoppelte sich der Frauenanteil zwar (Klaus 2003: 4), doch eine Gleichstellung von Frauen und Männern ist nach wie vor nicht in Sicht. Bliebe es bei dieser Steigerung um 1,25 Prozentpunkte pro Jahr, wären weitere zehn Jahre nötig, um eine 50/50 Verteilung zu erreichen. Dieses Schneckentempo liegt allerdings nicht am fehlenden exzellenten wissenschaftlichen Mittelbau: Seit ca. 2004 sind unter den Promovierenden etwas mehr Frauen (Prommer et al. 2005), 2014 waren es 62% Frauen und unter den Postdocs gab es eine Gleichverteilung (Engesser & Magin 2014: 319).
Was tun? Es ist wichtig, weibliche Karrieren an Universitäten zu stärken. Programme wie das DGPuK Gertrude-Joch-Robinson-Mentoring Programm bleiben notwendig. Auch Gleichstellungsmaßnahmen der Universitäten sind (weiterhin) nötig, um in den nächsten Jahren eine Geschlechterangleichung zu erreichen, denn viele Studien zeigen, wie ungleich Frauen und Männer bewertet werden. Mehr Mut ist gefordert: Ein gesetzlich verankertes Kaskaden-Modell wie in NRW scheint z.B. erfolgreich zu sein. Nötig ist auch eine regelmäßige Bestandaufnahme dessen, was erreicht wurde, und dessen, was noch zu leisten ist, um Vorwürfen wie dem eingangs formulierten Verdacht fundiert begegnen zu können. Die dann erreichte stärkere Präsenz von Professorinnen könnte weibliche Studierende ermutigen, den Weg in die Wissenschaft einzuschlagen und das „Karriereziel Professorin“ zu verfolgen (Riesmeyer & Huber 2012).
Literatur
Engesser, S. & Magin, M. (2014). Die Arbeitszufriedenheit des kommunikations- und medienwissenschaftlichen Nachwuchses. Publizistik, 59(3), 307-334
Klaus, E. (2003). Quäntchensprünge. Frauen und Männer in der DGPuK. Aviso, 34, 4-5.
Prommer, E., Lünenborg, M., Matthes, J., Mögerle, U., & Wirth, W. (2006). Die Kommunikationswissenschaft als gendered organization. Geschlechtsspezifische Befunde zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses. Publizistik, 51, 67-91.
Riesmeyer, C. & Huber, N. (2012). Karriereziel Professorin. Wege und Strategien in der Kommunikationswissenschaft. Köln: Halem.