Gemeinsam für bessere Wissenschaft
Manuel Menke (DGPuK Nachwuchssprecher),
Ludwig-Maximilians-Universität München,
Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IfKW)
Julia Niemann-Lenz (stellv. DGPuK Nachwuchssprecherin),
Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover,
Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK)
„Frist ist Frust“, „Bayreuther Bankrotterklärung“, „Ohne uns keine Uni“: Wer dieser Tage die Diskussionen um Befristung und Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft verfolgt, dem schlägt eine Welle der Verärgerung aus dem wissenschaftlichen Mittelbau entgegen. Diese Verärgerung hat sich über die letzten Jahre aufgebaut und speist sich aus einer Vielzahl von Problemen, die letztlich ein gutes und gesundes Arbeiten in der Wissenschaft erschweren oder sogar verhindern. Anstatt sich dem Status quo zu ergeben, drängt im Mittelbau die Frage, wieso die Wissenschaft, zu der viele mit Professionalität, Expertise, Hingabe und Freude beitragen, kaum Alternativen neben der Professur bietet.
Das hochschulpolitische Kalkül des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes könnte kaum paradoxer sein: Den wissenschaftlichen Mittelbau über zwölf Jahre lang und mit hohem Einsatz von Ressourcen zu qualifizieren, um dann die überwiegende Mehrheit, die in Forschung, Lehre und Administration über exzellente Fähigkeiten verfügt, aus der Wissenschaft auszuschließen. Umgekehrt gilt: Gerade wenn man die Promotions- und die Postdocphase vorrangig als Ausbildungszeit definiert, wie es beispielsweise die Kanzler*innen in der Bayreuther Erklärung getan haben, geht damit auch eine Verantwortung gegenüber den sich qualifizierenden Wissenschaftler*innen einher – auch gegenüber denen, die letztendlich keine Professur oder Dauerstelle erreichen. Diese Verantwortung wird jedoch in der aktuellen Hochschulpolitik weitgehend negiert und stattdessen dem Individuum übertragen, das sich auf das Wagnis Wissenschaft eingelassen hat. Wie stark ein solches Denken etabliert ist und wie gering der Beitrag des wissenschaftlichen Mittelbaus an den Hochschulen und für die Wissenschaft wertgeschätzt wird, das wurde ebenfalls in der Bayreuther Erklärung zum Ausdruck gebracht.
Dabei haben sich sowohl die Ansprüche an den wissenschaftlichen Mittelbau als auch die Chancen auf eine Professur entscheidend verändert. Die geläufige Bezeichnung als „Nachwuchs“ trifft schon nach wenigen Jahren kaum mehr auf den wissenschaftlichen Mittelbau zu, der innerhalb kürzester Zeit neben der Qualifikationsarbeit (international) auf hohem Niveau forscht, publiziert, reviewt, lehrt, betreut und administriert. Die an junge Wissenschaftler*innen herangetragene Erwartungshaltung zeigt, welche tragende Rolle dem Mittelbau in Forschung und Lehre mittlerweile überantwortet wird. Der Wettbewerb um die wenigen Professuren in der Medien- und Kommunikationswissenschaft erhöht währenddessen den Druck, neben der Qualifikationsarbeit auf allen Hochzeiten zu tanzen, resultiert aber sicher nicht in der bestmöglichen Wissenschaft, die allen gleichermaßen ein Anliegen sein sollte. Dass unter hohem Druck Diamanten entstehen, ist eine Redewendung, deren Übertragung auf die Arbeitsverhältnisse und das Qualifikationssystem in der Wissenschaft mehr als hinkt. Ein Übermaß an Zeit- und Publikationsdruck gepaart mit Existenzsorgen macht nicht nur gute Wissenschaft kaputt, sondern auch die Wissenschaftler*innen; eine Erfahrung, die sicherlich Vertreter*innen aller Statusgruppen machen.
Die Architektur des Wissenschaftssystems hat dazu geführt, dass ein (zu) großer wissenschaftlicher und häufig prekärer Mittelbau erst mit der Professur Klarheit über seine berufliche Zukunft erlangt. Bis dahin hangeln sich die meisten Wissenschaftler*innen von Vertrag zu Vertrag, ohne Aussicht auf Entfristung. Noch zu häufig handelt es sich dabei um 50%-Stellen sowie Beschäftigungen mit kurzen Laufzeiten, was besonders dann verärgert, wenn volle Stellen auf zwei halbe aufgeteilt werden. Sicherlich gibt es nicht immer einfache Lösungen und nicht jeder Standort hat die gleichen Möglichkeiten und Ressourcen, die hochschulpolitisch erzeugte Schieflage aufzufangen. Doch auch nicht immer ist der Wille zu erkennen, sich für bessere Bedingungen der Mitarbeiter*innen einzusetzen. Die üblichen Argumente für die Befristungspolitik von Hochschulen sowie einzelne Befristungsentscheidungen an Instituten werden immer wieder vorgetragen: Exzellenz durch Konkurrenz, Flexibilität und Mobilität. Und außerdem: Wer soll die Entfristungen denn bezahlen? Und verstopft das nicht das Wissenschaftssystem für nachkommende Kohorten?
Gerade unter Berücksichtigung dieser Ansprüche an das Wissenschaftssystem und den Mittelbau, wäre es an der Zeit, grundlegende Strukturen neu zu denken. Exzellente Wissenschaft und gute Arbeitsbedingungen sowie planbare Karrierewege müssen nicht im Widerspruch stehen. Die Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie alle sie tragenden Wissenschaftler*innen und Fachgesellschaften sollten sich daher auch im eigenen Interesse an guter und konkurrenzfähiger Wissenschaft für eine Veränderung der aktuellen Situation einsetzen. Wünschenswert wäre es beispielsweise, wenn über einen Verbleib im Wissenschaftssystem möglichst bald nach der Promotion Klarheit herrschen würde, also zu jenem Zeitpunkt, an dem sich jemand für diesen Karriereweg entscheidet und sich in den darauffolgenden Jahren für die meisten anderen Berufe über- bzw. fehlqualifiziert. Mit einer Verlagerung des Flaschenhalses vor die PostDoc-Phase mögen Einschnitte verbunden sein, aber letztlich würde damit das Problem der Qualifizierung ins Ungewisse gelöst. Gleichzeitig sollten alternative Karrierewege konsequenter mitgedacht und im Fach aufgewertet werden, damit ein Ausstieg aus der Wissenschaft nicht länger als Scheitern verstanden wird, wie es schon die Bezeichnung „Plan B“ nahelegt. Auf Institutsebene bieten sich ebenfalls Potenziale für Veränderung, etwa wenn Lehrstuhlstrukturen weniger hierarchisch organisierten Departmentstrukturen weichen und damit einzelne Stellen unabhängiger von Veränderungen durch das Berufungskarussell würden. Auch eine Selbstverpflichtung, sofern möglich nur noch Stellen mit mindestens 65% (besser 100%) auszuschreiben, wie es bereits im „Kodex für gute Arbeit in der Medienwissenschaft“ der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) verabschiedet wurde, wäre auch in der DGPuK wünschenswert. Damit geht einher, dass in Projektanträgen gemeinsam für höhere Stellenanteile gekämpft und damit zumindest die 65%-Vorgabe der DFG flächendeckend Standard wird.
Es gibt viele Ebenen, auf welchen angesetzt werden kann, denn die derzeitigen Schwierigkeiten, so zeigt sich bei näherer Betrachtung, entstehen üblicherweise nicht aus individuellen Verfehlungen, sondern sind systemisch und betreffen in ihrer Konsequenz auch die Professor*innen. Denn gute Wissenschaftler*innen zu halten oder anzuwerben, ist schwierig, wenn die Aussichten innerhalb der Wissenschaft unattraktiv und unsicher sind. Wer ein paar Jahre dabei ist, kennt die vielversprechenden Kolleg*innen, die dem Fach aufgrund dieser Bedingungen abhandengekommen sind. Besonders bedenklich daran: Mancher mag sogar Erleichterung über das Ausscheiden von Konkurrenten empfinden. Nicht selten werden die „Aussteiger“ aber auch von den Zurückbleibenden darum beneidet, dass sie „den Absprung geschafft haben“.
Es sollte nicht sein, dass nur diejenigen die Professur erhalten, die es sich finanziell und sozial leisten können, diesem Ziel alles andere in ihrem Leben unterzuordnen, es sollte nicht sein, dass eine wissenschaftliche Karriere ein Risiko für die Familienplanung darstellt, es sollte nicht sein, dass Wissenschaft nur mit finanzieller Unterstützung oder Nebenjobs möglich ist und es sollte nicht sein, dass sich vielfach erst jenseits der 40 entscheidet, ob man die Möglichkeit bekommt, seinen Beruf bis zur Rente auszuüben. Wieso ein solcher Zustand hochschulpolitisch gewünscht und akzeptiert ist, gibt Rätsel auf und sorgt für Unmut.
Trotz dieser Zustände, schöpft der wissenschaftliche Mittelbau seine Möglichkeiten an Veränderung mitzuwirken bisher noch nicht aus. Initiativen wie „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zeigen, dass eine organisierte Stimme nötig ist, um das Thema auf die Agenda zu setzen. Weil politisches Engagement aber Ressourcen kostet, die viele aufgrund der Arbeitsbedingungen und Anforderungen nicht oder sehr begrenzt haben, ist der Organisationsgrad im Mittelbau gering. Das zeigt sich auch an den überschaubaren Mitgliedschaften in Gewerkschaften wie ver.di oder der GEW, obwohl gerade sie starke hochschulpolitische Player sein könnten.
Was aber bedeuten die prekären Arbeitsverhältnisse und fehlende Planungssicherheit im Mittelbau nun für das Fach und die DGPuK? Innerhalb des Fachs setzen wir zur Lösung der benannten Probleme auf Solidarität über alle Statusgruppen hinweg, um sich kooperativ im Namen guter und fairer Wissenschaft für die Verbesserung der Situation zu engagieren. Auch Professor*innen ist klar, dass sie von motivierten, qualifizierten, verlässlichen, gesunden Mitarbeiter*innen profitieren, die wissen, welche Anforderungen sie erfüllen müssen, um ihren Beruf ohne Damoklesschwert über dem Kopf dauerhaft auszuüben. In der Vergangenheit hat die DGPuK den wissenschaftlichen Mittelbau bereits an diversen Stellen unterstützt und dafür gesorgt, dass er eine Stimme auf Augenhöhe in der Fachgesellschaft bekommt. Darüber hinaus ist die DGPuK als das zentrale Fachorgan aber auch gefordert, noch aktiver als bisher Lösungsansätze für die Situation des wissenschaftliche Mittelbaus zu koordinieren und die Initiative zu ergreifen, um faire Standards zu setzen, denen sich das Fach in gemeinsamer Aushandlung verpflichtet. Das bedeutet auch, dass die DGPuK ein Sprachrohr im öffentlichen Diskurs sein sollte, indem sie auf Missstände in der Wissenschaft hinweist, sich positioniert und hochschulpolitische Forderungen unterstützt oder einbringt. Als Sprecher*innen des wissenschaftlichen Mittelbaus der DGPuK freuen wir uns auf eine solidarische Zusammenarbeit aller Statusgruppen an diesen Themen, zu welcher einige ausgewählte Schlaglichter im Debattenteil dieser Ausgabe einen ersten Anstoß geben sollen.