Grenzüberschreitend forschen im DACH-Raum
Von Birgit Stark, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Forschungsverbünde sind en vogue, nicht erst seit gestern, sondern bereits seit geraumer Zeit werden sie „gehypt“. An Universitäten dient die Verbundforschung in erster Linie als profilbildende Maßnahme, die nicht nur die (internationale) Sichtbarkeit einzelner Fächer stärken soll, sondern auch höhere Summen an Drittmitteln verspricht. Oft ist diese Förderung mit der Forderung nach interdisziplinärer Vernetzung verbunden. Bestenfalls liefern solche Verbünde auch noch zentralen Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft evidenzbasierte Empfehlungen und leisten einen Beitrag zum Wissenstransfer in die Gesellschaft.
Auch für die Kommunikationswissenschaft haben grenzüberschreitende und interdisziplinäre Forschungsverbünde an Relevanz gewonnen, nicht zuletzt, weil das Fach als Integrationsdisziplin gilt und sich deshalb Theorien und Methoden anderer Disziplinen verbunden fühlt. Außerdem hat die Bedeutung der Medienforschung durch den digitalen Wandel für die Gestaltung des politischen Rahmens zugenommen. Medienpolitische Debatten und Regulierungsvorschläge sollen nicht nur kritisch begleitet und mitgestaltet, sondern es sollen auch vermehrt praxistaugliche Konzepte entwickelt werden.
Aufbau und Koordination großer Forschungskollaborationen sind allerdings mühsam, arbeits- und zeitintensiv – da darf man sich nichts vormachen. Viel Frustpotenzial birgt die Tatsache, dass bei einer Ablehnung oft die Vergabekriterien intransparent bleiben und Bemühungen im Sande verlaufen. Häufig bekommt man nur einen Brief mit den üblichen Floskeln als Feedback.
Für europäische Kooperationen bietet das Weave Lead Agency-Verfahren eine gute Alternative. Die Zahl der Partner und Länder ist beschränkt, im Fall von D-A-CH-Projekten auf Kolleg:innen aus Österreich und der Schweiz. Forschungsthemen aus dem DACH-Raum werden bei erfolgreicher Antragstellung von den jeweils national zuständigen Förderorganisationen unterstützt: der DFG in Deutschland, dem FWF in Österreich und dem SNF in der Schweiz. Es reicht ein gemeinsamer Antrag, denn sobald die Lead Agency – sie befindet sich in dem Land, in dem der Forschungsschwerpunkt liegt – grünes Licht gibt, fördern auch die anderen nationalen Organisationen. Es findet also nur ein Begutachtungsprozess statt. Für unser D-A-CH-Projekt „Media Performance and Democracy“ war dies die ideale Antragsform, denn die Messung demokratischer Medienqualität ist ländervergleichend auf die drei Mediensysteme angelegt. Sprich: Die Verbindung von Qualitätsforschung und Komparatistik liegt hier auf der Hand.
Außerdem war das seit Jahren etablierte Qualitätsmonitoring in der Schweiz ein hervorragender Ausgangspunkt. Denn Forschungskollaborationen erfolgreich anzubahnen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Natürlich sind intensive Vorbereitungen und regelmäßige Treffen für den persönlichen Austausch unabdingbar. Auch bringt eine gut koordinierte Zusammenarbeit verschiedene Denkweisen fruchtbar zusammen. Kreative Ideen müssen zudem in die Antragslogik transferiert werden. Dabei können Kolleg:innen als externe Ratgeber vor der Einreichung helfen, die Außenperspektive nicht zu verlieren. Und letztlich muss auch die „Chemie“ unter den Beteiligten stimmen und ein gewisser Team-Spirit entstehen. Kurt Imhof war unser Impulsgeber im Projekt „Media Performance and Democracy“ – er hat inspiriert und motiviert! Ein Pluspunkt ist sicherlich auch die Einbindung junger Forschender in gewachsene internationale Netzwerke. Darüber hinaus ist eine unterstützende Koordinationsstelle essenziell, etwa bei der Finanzierung oder Schaffung neuer Forschungsinfrastrukturen – allerdings gibt es hier Luft nach oben.
Ganz grundsätzlich gilt: Wissensdrang und Beharrlichkeit helfen, Durststrecken in längeren Verbundprojekten zu überwinden!