Dringende und wichtige Aufgaben für die deutsche KoWi

Von Barbara Thomaß, Ruhr-Universität Bochum und Leibniz-Instituts für Medien­forschung Hans-Bredow-Institut (HBI)

 

 

 

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngsten Urteil zur Rundfunkfinanzierung eindrückliche Argumente für die Sicherung öffentlich-recht­licher Medien, ihrer Unabhängigkeit und vor allen ­Dingen ihrer Finanzierung abgeliefert. Dabei hat es festgestellt, dass das Land Sachsen-Anhalt gegen Art. 5 GG verstoßen hat, indem es unter­lassen hat, der von der Kommission zur ­Ermittlung des Finanzbedarfes angesetzten Erhöhung des Rundfunkbeitrages zuzustimmen. Diese Nichtzustimmung erklärt sich aus massiven Angriffen seitens der AfD auf öffentlich-recht­liche Medien, deren Argumentation auch Teile der CDU im Land ­Sachsen-Anhalt zustimmten.

Werden hier juristische Feinheiten ver­handelt, die nicht in das Feld der Kommunikations­wissenschaften fallen? Befinden wir uns in medienpolitischen Niederungen – business as usual in der rundfunkpolitischen Ausein­andersetzung, so wie wir sie schon zur Genüge kennen – die wissenschaftlich nicht mehr von Interesse sind? Dies anzunehmen, wäre weit gefehlt. Hinter diesen – teils tagespolitisch verhandelten – Auseinandersetzungen verbergen sich grundlegende Fragestellungen, wie eine demokratisch legitimierte und der Demokratie dienende Kommunikationsordnung auch in Zukunft aufrecht zu erhalten ist; und dies sind zutiefst kommunikationswissenschaft­liche ­Fragen. Doch es ist leider zu beobachten, dass sich die deutsche Kommunikationswissenschaft nicht durch eine besondere Präsenz in der Beantwortung der damit verbundenen Problem­stellungen auszeichnet.

Mit öffentlich-rechtlichen Medien verfügen wir in Deutschland – und auch in vielen ­anderen ­Ländern – über eine Rundfunkordnung, die gewährleistet, dass es öffentliche Kommuni­kation mit öffentlicher Finanzierung, einem öffentlichen Mandat und öffentlicher ­Kontrolle gibt. Das sind Grundsätze, die von hoher Relevanz sind, auch in die nächste und weitere Zukunft getragen zu werden, die von einem Über­angebot an Informationen, aber auch von vielen Fehl­entwicklungen gekennzeichnet ist. Das ­Bundesverfassungsgericht hat diese Notwendigkeit eines unabhängigen öffentlichen Rundfunks auch in der Zukunft gerade im Angesicht digitaler Überinformation noch einmal ­ausdrücklich bestätigt.

International sind die Forschungsaktivitäten zu dem Problemkomplex reichhaltiger. Es gibt seit 2001 den Forschungsverbund RIPE (Re-­visionary Interpretations of the Public Enterprise), der jetzt in die International Association of Public Media Researchers (IAPMR) überführt worden ist, ­welche kontinuierlich in enger Kooperation mit Public Service Media Anbietern grundsätz­liche und aktuelle Fragen der Entwicklung ­öffent­licher Medien bearbeitet. Eine Working Group der IAMCR widmet sich public service media; und auch die Euromedia Research Group hat in ihren zahlreichen Publikationen immer wieder den Zusammenhang von public ­ service media und demokratischen Erfordernissen aufgezeigt.

Die Frage, wie eine zukünftige Kommunikationsordnung gestaltet werden kann, die allen Anforderungen der Digitalität gerecht wird, ist gerade in jüngerer Zeit eine Frage, die auch von vielen medienaktivistischen ­ ­Initiativen kreativ bearbeitet wird. Sie ordnet sich in die größere ­Problemstellung ein, wie die digitale Sphäre demokratisch, inklusiv, ­partizipativ und datensicher gestaltet werden kann. Die ­verschiedenen Initiativen (SDEPS – ­Shared ­Digital European Public Sphere, EPOS – ­European ­Public Open ­Spaces, POS – Public Open ­Spaces, Beyond ­Platforms Initiative usw.) haben auf der ­kulturellen, auf der technologischen, auf der ­ökonomischen und auf der politischen Ebene schon etliche Ideen vorgelegt, die es ­kommunikationswissenschaftlich zu prüfen, zu unter­mauern und weiterzuent­wickeln gilt.

Es ist auffällig, dass viele Angriffe, die von ­politischen Parteien, von Verbänden oder tages­aktuellen Medien auf öffentlich-recht­liche Medien getätigt werden, oftmals von einer erschreckenden Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber verfassungsmäßigen und medienrechtlichen Vorgaben gekennzeichnet sind. Auch hier liegt ein weites Feld für die Kommunikationswissenschaft, allein das Wissen um die Strukturen der Rundfunkordnung, im ­weiteren Sinne der Kommunikationsordnung, ihre normativen Begründungen, aber auch ihre funktionalen Berechtigungen auszuargumentieren und in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen.

Angriffe auf die öffentlich-rechtlichen Medien sollten also die Kommunikationswissenschaft aus verschiedenen Gründen kümmern. Zum einen, weil sie genuin kommunikationswissenschaftliche Fragen berühren; zum andern, weil eine Wissenschaft, die sich um die öffentliche Kommunikation in einer demokratischen Gesellschaft bemüht, hier eine ihrer dringlichsten ­Aufgaben findet.