Nachhaltiger Wissenstransfer durch Forschungsinfrastrukturen

Christian Strippel


Christian Strippel, Weizenbaum-Institut Berlin, DGPuK-AG Forschungsinfrastrukturen

Die anhaltenden Diskussionen rund um die immer prekärer werdenden Zugänge für Wissenschaftler:innen zu den Daten von Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter zeigen, wie wichtig offene und zuverlässige Infrastrukturen für unsere Forschung sind. Die Entscheidungen dieser Unternehmen, ihre APIs zu schließen oder unter Zahlungsvorbehalt zu stellen, haben die bis dato prosperierende Beforschung dieser Plattformen erheblich gedämpft. Im Gegensatz dazu hat die Forschung zu Messenger-Diensten wie Telegram in den letzten Jahren stark zugelegt. Das hat zum einen mit der gestiegenen Relevanz dieser Dienste zu tun, ist aber auch darauf zurückzuführen, dass Telegram überhaupt noch Zugang zu seinen Daten gewährt. Auch wenn diese Entwicklung nur bestimmte Formen der Social-Media-Forschung betreffen, zeigt dieses Beispiel doch, was passiert, wenn vorhandene – in diesem Fall technische – Infrastrukturen für die Forschung wegfallen. 

Der Wissenschaftsrat ging in seinen „Empfehlungen zu Forschungsinfrastrukturen in den Geistes-und Sozialwissenschaften“ von 2011 so weit zu schreiben: „Ohne Instrumente und Institutionen, die allen Mitgliedern der jeweiligen wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Unterstützung ihrer Forschung zur Verfügung stehen, ist die Anknüpfung an vorhergegangene Erkenntnisprozesse und deren systematische Weiterentwicklung in einer dezentral organisierten Wissenschaftswelt nicht möglich“. Ich behaupte, dass gute Forschungsinfrastrukturen unter den Bedingungen unserer Aufmerksamkeitsökonomie auch für einen nachhaltigen Wissenstransfer unabdinglich sind. 

Die kleinteilige Forschung unseres Fachs hat es in der Regel schwer, sich unter den Bedingungen digitaler Öffentlichkeiten Gehör zu verschaffen. Aufmerksamkeit bekommen bislang vor allem Studien mit kontraintuitiven Befunden oder wenn sie gesellschaftliche Konflikte, Risiken und Gefahren thematisieren, aktuell etwa Forschung zu Hate Speech, Mis-und Desinformation, Polarisierung, die Macht der Plattformen, neuerdings auch Künstliche Intelligenz und immer wieder Filter Bubbles. Wünschenswert wäre jedoch, wenn wir über die beiden Nachrichtenwertfaktoren Negativität und Überraschung hinaus mehr Aufmerksamkeit auch für Forschungsthemen mit größerer Reichweite bekommen.

Wie das geht, zeigen uns etwa die Soziologie und Politikwissenschaft, die mit groß angelegten Langfristprojekten wie dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) oder der German Longitudinal Election Study (GLES) systematische Forschung auf Dauer stellen und damit auch Einfluss auf den öffentlichen Diskurs haben. Ebenso wird durch die starke Buchkultur insbesondere in der Soziologie öffentliche Aufmerksamkeit auch dadurch generiert, dass die aktuelle Forschung für ein öffentliches Publikum einfach zugänglich aufbereitet wird. Ein gezielter Ausbau solcher Forschungsinfrastrukturen kann auch der Medien- und Kommunikationswissenschaft dabei helfen, ihre Inhalte stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Am Weizenbaum-Institut probieren wir dazu aktuell unterschiedliche Formate aus: Mit dem „Weizenbaum Panel“ werden etwa jährlich Befragungsdaten zur Internetnutzung und politischen Partizipation erhoben und in einem regelmäßig erscheinenden Report öffentlich kommuniziert, und zwei Kolleginnen erarbeiten regelmäßig Forschungssynthesen zu Themen wie digitale Souveränität und Einfluss sozialer Medien auf die öffentliche Meinungsbildung, die sich dezidiert an eine interessierte Öffentlichkeit richten. Diese Beispiele zeigen: Durch den Aufbau von Forschungsinfrastrukturen lassen sich eine stärkere Systematisierung unserer Forschung mit einem nachhaltigen Wissenstransfer verbinden.