Kommunikationswissenschaftliche Diskurskultur?
Diskussionen über gendergerechte Sprache haben sich in letzter Zeit sichtlich intensiviert. Meistens geht es weniger um dieses Ziel selbst als um stilistische, grammatische und orthographische Mittel, mit denen es verwirklicht werden soll: ein Thema, dass sich besonders für die Praxis demokratischer Streitkultur eignet, auch weil kaum materielle Interessen im Hintergrund stehen, die die Freiheit der Debatte einengen.
Wie zu anderen Themen fällt der Kommunikationswissenschaft und dem Journalismus auch bei diesem die besondere Verantwortung zu, den Spielraum für herrschaftsfreie Diskurse, Otto Groth nannte das „Sprechsaal“, offen zu halten. Wir bezweifeln, dass das bei den Vorgängen um die Publikation von Rudolf Stöbers Text zu „Genderstern und Binnen-I“ in Ausgabe 1/21 der „Publizistik“ gelungen ist. Das mag mit der Hektik zusammenhängen, die in der digitalen (Medien-)Welt nicht nur den Journalismus, auch die ihn begleitende Kommunikationswissenschaft befallen hat. Um unsere Zweifel zu begründen, stellen wir an die Beteiligten Fragen, von denen wir hoffen, dass sie zum gründlichen und gelassenen Nachdenken anregen.
An den Autor des Textes, dessen Veröffentlichung mittlerweile von über 300 DGPuK-Mitgliedern angegriffen wird, lässt sich die Frage richten, ob er mit dem Text etwas provozieren wollte, das er in ihm kritisiert. Hält er provokante self-fulfilling-prophecies für geeignete Mittel, um wissenschaftliche Diskussionen zu führen? Was offensichtlich viele aufregt ist die Leichtfertigkeit, mit der sein Text vom Thema der gendergerechten Sprache auf die Gefahren von Kommunismus und Faschismus und schließlich sogar auf die Guillotine zu sprechen kommt.
An die Herausgeberinnen und den Herausgeber der „Publizistik“ stellt sich die Frage, ob es editorisch geschickt war, den provokanten Text allein, ohne unübersehbaren Hinweis auf seinen Meinungscharakter und ohne Einladung zu Erwiderungen zu veröffentlichen? Zumal beim digitalen Publizieren entgehen Kontextrubriken leicht der Aufmerksamkeit, so dass ein „Forum“-Beitrag bei flüchtigem Lesen für ein redaktionelles Statement gehalten werden kann.
Unsere wichtigsten Fragen richten sich an die Unterzeichnenden des „Offenen Briefs“, deren Vernünftigkeit wir nicht in Zweifel ziehen: Kann es sein, dass sie eilig zur Feder gegriffen haben, ohne sich bewusst zu machen, dass es sich bei dem angegriffenen Text um einen Meinungsbeitrag handelt, der nicht der internen oder externen Begutachtung unterliegt? Wie wäre eine Ablehnung des Meinungsbeitrags zu begründen gewesen, was hätte der Autor zu einer Ablehnung sagen können? Ist in dem Text etwas zu erkennen, das die Schranken der von Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit überschreitet, z. B. Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften oder Schmähkritik, die die persönliche Ehre Dargestellter verletzt? Wenn nicht: Wäre es nicht im Sinne der demokratischen Kernfreiheiten und eines herrschaftsfreien Diskurses gewesen, die Kritik an die gleiche Stelle wie den kritisierten Beitrag zu platzieren oder sich an die für seine Publikation Verantwortlichen zu wenden? Ist der administrative Weg einer Beschwerde an die Institution, von der die Zeitschrift organisatorisch und finanziell unterstützt wird, im Sinne demokratischer Diskurskultur?
Aus der Kommunikationswissenschaft wird gern darauf hingewiesen, dass Pressefreiheit nicht nur rechtlich, sondern auch ökonomisch und kulturell bedroht werden kann. Sollten (Kommunikations-)Wissenschaftlerinnen und –Wissenschaftler diese Einsicht nicht auch auf sich selbst anwenden? Kommunikationsfreiheit erfordert Toleranz, Duldsamkeit gegenüber missliebigen Positionen und Praktiken. Die Sentenz „Ich bin nicht Ihrer Meinung, aber ich werde bis auf den Tod verteidigen, dass Sie sie äußern dürfen!“ wird Voltaire zugeschrieben; ähnlich bekannt ist das Zitat Rosa Luxemburgs: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.“
An die DGPuK, die angesichts ihrer zahlreichen und heterogenen Mitgliedschaft auf pluralistische Offenheit angewiesen ist, richtet sich die Frage, ob der Respekt vor der publizistischen Autonomie einer renommierten Fachzeitschrift nicht gebietet, den Verantwortlichen der „Publizistik“ von vornherein den Umgang mit dem Problem zu überlassen?
Und an die sich - offenkundig ironisch – selbst so bezeichnende „Initiative der alten weißen Männer" sei die Frage gerichtet, ob weit ausholende Annahmen über „Strömungen“ hilfreich sind, um Kontoversen argumentativ zu klären. Der Wert von Argumenten hängt in der Regel nicht davon ab, von wem sie stammen. Sollten Auseinandersetzungen nicht auch der Verfestigung von Strömungen entgegenwirken, damit nicht Formen der Polarisierung und Feindseligkeit entstehen, die unsere Disziplin als Herausforderung für die Demokratie zu Recht problematisiert?
Wir denken nicht, dass Konsens und Eintracht immer zu erreichen sind. Vielleicht sind sie auch gar nicht wünschenswert. Umso wichtiger ist es, Dissens auszuhalten und produktiv damit umzugehen. Es mag sein, dass diskursethische Fragen aus einer bestimmten Perspektive als Ablenkung vom Hauptproblem mangelnder Gendergerechtigkeit der deutschen Sprache erscheinen. Es mag auch sein, dass wissenschaftliche und journalistische Diskurse schwer oder gar nicht von Konflikten um Einflusschancen zu trennen sind. Aber sollen wir deshalb, so die Frage an uns selbst, die Leitideen der Diskursethik und der Meinungsfreiheit bewusst geringer achten als das Durchsetzen (sprach-)politischer Ziele? Das erschiene uns als Entfremdung von den berufsspezifischen Logiken der Wissenschaft und des Journalismus, der wir nicht anheimfallen wollen – und hoffentlich viele Kolleginnen und Kollegen auch nicht.
Horst Pöttker und Tanjev Schultz
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EIN VERSUCH AUF DIE FRAGEN ZU ANWORTEN
Liebe Kollegen Pöttker und Schultz, liebe Forenleser*innen,
gerne möchte ich hier meine Einschätzung teilen, bevor ich anschließend auf die u.a. an mich (als Unterzeichner des offenen Briefs) gerichteten Fragen antworte. Im ersten Absatz argumentieren sie beide, dass sich die Debatte um das Gendern um "stilistische, grammatische und orthographische Mittel" drehe. Tatsächlich würde ich behaupten wollen, dass genau dieser Punkt meist nur vorgeschoben ist und es Vertreter*innen, die diese Argumentation anstrengen, meist um etwas Anderes geht. Wie auch im Beitrag des Kollegen Stöber, folgt darauf nämlich häufig eine Abrechnung mit all denjenigen, die sich um Inklusion auf eine Art und Weise bemühen, die auch denen etwas abverlangt, die nie selbst direkt von den entsprechenden Ungerechtigkeiten betroffen waren. Wenn es im Ausgangtext bei Stöber über gendergerechte Sprache heißt, man erkaufe sich den Hinweis auf eine Selbstverständlichkeit mit schriftsprachlicher Verarmung, dann zeigt das nur, dass er aus fehlender Betroffenheit einem typischen Fehlschluss unterliegt: Als Mann zu glauben, man könne behaupten und einschätzen, dass Gleichberechtigung in der Sprache (oder in anderer Form) gar nicht nötig sei oder zumindest nicht so sehr, dass man dafür irgendwelche Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müsste (wie Gendersternchen und Binnen-I zu verwenden). Das Hochhalten der Sprache wird hier zum Vehikel, um zu verhindern, dass sich neue Normen durchsetzen, die neues Handeln verlangen. Dabei handelt es sich auch nicht um Manipulation durch Sprache, sondern um gesellschaftlichen Wandel, der sich nun in der Sprache niederschlägt. Die „alten weißen Männer“ (sowie die „jüngeren weißen Männer“, zu denen ich zähle) sollten sich deshalb fragen, ob sie schlicht einem Irrtum aufsitzen, wenn sie Bemühungen für eine gerechtere Sprache zurückweisen, aber selbst nicht zu denen gehören, die von ungerechter Sprache betroffen sind. Was der „ironischen Selbstbezeichnung“ übrigens fehlt, ist das wichtigste Wort, das in dem Zusammenhang üblicherweise auch genannt wird: „privilegiert“. Und es sind genau diese Privilegien, die im Vorstoß Stöbers verteidigt werden, anstatt sich zu fragen, ob der Preis der „Verhunzung“ von Sprache (was durchaus eine streitbare Behauptung ist) und das „Opfer“ der Verwendung gendergerechter Sprache in den eigenen Texten nicht vielleicht doch im Verhältnis zu einer inklusiveren Gesellschaft steht. Und vielleicht sollte es auch stutzig machen, wenn sich die Koalition der Sprachreinheits- und Meinungsfreiheitsverfechter bisher auf eben die bereits selbst identifizierte Gruppe der „alten weißen Männer“ reduziert und sich bisher keine Frau zu dieser Position bekennt.
Als ein Unterzeichner des offenen Briefs möchte ich auch auf ihre „wichtigsten Fragen“ an uns antworten (ohne, dass ich damit für alle Unterzeichner*innen spreche). Ein großes Missverständnis hier im Forum scheint zu sein, dass der offene Brief ein Instrument wäre, mit dem die Meinungsfreiheit des Kollegen Stöber angegriffen würde. Beiträge vom Kollegen Reus mit dem Titel „Es geht längst um mehr, nämlich um die Kommunikationsfreiheit“ oder dem Kollegen Haller mit „Wehret den Anfängen“ sitzen genau dem erwünschten Narrativ auf, das durch den Beitrag provoziert werden sollte. Ich habe den Brief unterschrieben, weil er deutlich macht, dass das Niveau der Auseinandersetzung schlicht als unsachlich und diffamierend betrachtet werden kann und es dem Autor daher nicht wirklich um die Sache bzw. eine zielführende Debatte ging. Jede*r kann Gendern für unnötig halten und das auch in einem Forenbeitrag in der Publizistik formulieren. Dann aber doch mit nachvollziehbaren Argumenten und ohne Faschismus- und Kommunismus-Vergleiche. Dass das nicht gelungen ist, zeigt vielmehr, dass – wie oben beschrieben – das Thema Gendern der Sprache verwendet wurde, um Unmut darüber zu äußern, dass sich Dinge ändern und das manchen (insb. „privilegierten (alten) weißen Männern“) als schmerzlich empfundene Anpassungsleistungen abverlangt. Ich für meinen Teil kann daher sagen, dass mir sehr wohl bewusst war, dass es sich um einen Meinungsbeitrag im Forum handelt und ich trotzdem glaube, dass eine „anything goes“ Mentalität unter dem Strohmann-Argument vermeintlicher Zensur nicht der Anspruch der Publizistik (oder irgendeines anderen Mediums) sein sollte. Was passiert, wenn die Regeln guten Diskurses nicht mehr gelten, das sehen wir aktuell an vielen Stellen und ist viel mehr der Grund für Polarisierung als Gendersternchen und Binnen-I. Es ging mir mit meiner Unterschrift also ausdrücklich nicht darum infrage zu stellen, ob eine Meinung gesagt werden darf, sondern wie sie gesagt werden sollte. Für das Fach ist daher zu hoffen, dass der klar auf Provokation statt Diskussion angelegte Beitrag nicht als legitimer Standard in unsere Debattenkultur eingeht, sondern Fachzeitschriften auch bei Meinungsbeiträgen auf eine konstruktive Form achten.
Wie man mit Kritik am eigenen Sprachgebrauch reflektiert umgehen kann, das hat Thomas Gottschalk, aka alter weißer Mann, gerade im Zuge des Skandals um „Die letzte Instanz“ gezeigt: „‘Gerade musste ich lernen, dass man Menschen auch dadurch enttäuschen kann, dass man sie nicht versteht. Man kann sich auch nicht damit herausreden, dass man eine "andere Sprache" spricht, zu der Vokabeln gehören, die, in der eigenen Wahrnehmung, weder etwas mit Diskriminierung noch mit Rassismus zu tun haben.‘ Es gebe Momente, da müsse man einfach zur Kenntnis nehmen, dass es so, wie es immer ging, eben nicht mehr gehe.“ https://www.horizont.net/medien/nachrichten/thomas-gottschalk-ich-werde-...
Beste Grüße
Manuel Menke
WECHSELSEITIGE UNTERSTELLUNGEN
Lieber Herr Menke,
haben Sie vielen Dank für Ihre Antworten, von denen sicherlich vieles nachvollziehbar ist. Ein Problem scheint mir allerdings zu sein, dass in solchen Debatten - und so auch in der vorliegenden - sehr schnell überschießende Unterstellungen im Spiel sind. Dass Sie die Faschismus- und Kommunismus-Bezüge in R. Stöbers Text in dieser Form für unangebracht halten, kann ich daher gut verstehen. Zugleich fällt mir allerdings auf, dass Sie nun ihrerseits mit der Unterstellung einsteigen, es werde oft nur etwas vorgeschoben, um in Wahrheit Inklusion, Gleichberechtugung o.ä. verhindern zu wollen.
Wenn ich dagegen mit "diskursivem Edelmut" (M.-L. Frick) Stöbers Text lese, also in der Bereitschaft, ihm nicht sogleich Übles zu unterstellen, und zugleich in der Bereitschaft, mich in meinen eigenen Überzeugungen irritieren und hinterfragen zu lassen und deshalb auch scharfe, womöglich unangemessen zuspitzende Passagen mit hermeneutischer Gelassenheit zu betrachten, so erkenne ich erstens eine ganze Reihe substanzieller Argumente (die Sie, ich und andere natürlich für schwach oder nicht zutreffend oder triftig halten mögen) und zweitens eine Aufgebrachtheit, die sich auch aus dem Erleben solcher als überzogen empfundener Unterstellungen speisen könnte.
Es gehört zu einem Standardargument der Kritik an gendersensibler bzw. inklusiver Sprache (zuletzt u.a. vorgetragen von Nele Pollatschek), dass mit dieser Sprachpraxis erst recht etwas markiert und sichtbar gemacht werde, auf das es doch eigentlich in vielen Kontexten überhaupt nicht ankommen sollte. Ähnliche Debatten existieren beim Thema Herkunft/Ethnizität bzw. Rassismus und color-blindness etc., und auch bei allen Debatten über Quoten spielten und spielen solche Einwände eine gewisse Rolle. Entsprechende Spannungen und Ambivalenzen gehören zur Dialektik von Emanzipationsbewegungen und Anerkennungskämpfen. Sie, ich und andere werden gewiss einige Argumente dafür kennen, warum dies die Praxis des sprachlichen Genders nicht unbedingt diskreditiert. Dennoch wirft die genannte Dialektik eine Reihe von wichtigen Fragen und Problemen auf, die nach meiner Lesart auch Stöbers Text problematisiert hat. In etlichen Zeitungen - von FAZ bis Tagesspiegel und SZ usw. - sind bereits ähnliche Debatten und Argumente zu lesen gewesen, in diversen Texten mit unterschiedlichen Richtungen, teilweise auch in mehr oder weniger polemischer und pointierter Form. Mir ist nicht klar, weshalb die "Publizistik" solche Debatten nicht führen können dürfte oder nicht zu führen imstande sein sollte.
Schöne Grüße
Tanjev Schultz
AM ENDE GEHT ES HIER UM MEHR
Lieber Herr Schultz, liebe Foren*leserinnen,
herzlichen Dank für das Fortführen der Diskussion und den konstruktiven Austausch. Ich sehe durchaus, dass Sie sowohl im Ausgangsbeitrag als auch im Kommentar bestrebt sind, moderierend zu agieren, für gegenseitiges Verständnis werben und damit „die Lager“ zusammenführen wollen. In diesem Sinnen möchte ich hier nochmal erklären, warum meine Lesart des Beitrags vom Kollegen Stöber und die „Unterstellung“, die ich ihm gemacht habe, nicht so ausgefallen ist, wie von ihnen letztlich interpretiert. In meinem Kommentar unterstelle ich nämlich nicht, dass es Stöbers Intention war, Gleichberechtigung zu verhindern. Darüber kann ich kein Urteil fällen. Das Problem ist, dass es komplizierter ist: Anstatt Gleichberechtigung (in der Sprache oder in anderer Form) gezielt/böswillig zu verhindern, werden mit Beiträgen dieser Art vielmehr die eigenen Annehmlichkeiten verteidigt und damit gleichzeitig dem Ziel der Gleichberechtigung als wichtiger übergeordnet. Im Resultat ist die Message einer solchen Verteidigung, dass man(n) sich, die Sprache und letztlich unsere Gesellschaft nicht bereit ist zu ändern bzw. nicht die Not sieht, weil das als nicht im Verhältnis zu den nötigen unangenehmen Anpassungsleitungen erachtet wird. Ich unterstelle daher erstmal niemandem Frauenfeindlichkeit oder dergleichen, sondern vielmehr eine fehlende Bereitschaft zur Reflexion der eigenen Rolle. Auch möchte ich erneut darauf hinweisen, dass ich durchaus die Position vertreten habe, dass eine solche Debatte in der Publizistik geführt werden kann und es mir lediglich um die Form geht.
Zum Argument, dass durch gendersensible Sprache etwas markiert würde, was nicht immer relevant sei, muss ich sagen, dass meine Schlüsse aus den Debatten der letzten Jahre sind, dass es erstens eigentlich immer relevant ist und zweitens es eines der berühmten Privilegien ist, es für irrelevant zu erklären. „Color blindness“ kann es nicht geben, so lange es Rassismus gibt und eine Frauenquote/bevorzugte Einstellung ist solange sinnvoll, wie es keine gleichberechtigte Einstellungspolitik gibt.
Im Sinne der Selbstreflexion innerhalb der DGPuK möchte ich hier auch einmal darlegen, dass mich nach meinem Kommentar Nachrichten von Kolleginnen erreicht haben, die ihren Frust darüber äußerten, die immer gleichen Diskussionen zu dem Thema führen zu müssen (meist ohne Erfolg) und die außerdem hier im Forum das Problem sehen, dass mit Klarnamen kommentiert werden muss und es noch immer die hier präsenten „(alten) weißen Männer“ sind, die in Kommissionen und bei Anträgen entscheiden. Das sind bittere Wahrheiten, die auch unser Fach durchziehen und die leider von vielen meiner Kollegen noch immer nicht gesehen oder fälschlicherweise als bereits überwunden betrachtet werden. Ich hoffe sehr, dass in dieser Debatte noch mehr Kolleginnen den Mut aufbringen, sich ebenfalls zu äußern, damit diese Realität noch sichtbarer wird und wir von einer Debatte über einen misslungenen Meinungsbeitrag zu einer Grundsatzdebatte über Gleichberechtigung im Fach kommen. Und da sind wir noch nicht einmal beim Thema fehlende Diversität im Fach…
FAKTUM DER PLURALITÄT
Lieber Herr Menke und liebe Mitlesenden,
das Forum möchte ich hier nicht dominieren und werde mich anchließend zurückhalten. Daher nur noch kurz: Ihren Punkten kann ich wieder einiges abgewinnen. Hier eine "Herrschaftsfreiheit" in der Debatte zu erreichen, ist sicherlich herausfordernd, vielleicht unmöglich. Dass es frustrierend sein kann, bestimmte Debatten immer wieder zu führen, verstehe ich auch. Zugleich irrtiert mich allerdings die Abschottungssehnsucht in akademischen Zirkeln und die Genervtheit, wenn andere eine grundlegend andere Sichtweise haben und diese auch nicht mal so eben ablegen, obwohl sich der eigene Zirkel doch schon seit so langer Zeit ganz sicher ist, die korrekte Antwort gefunden zu haben. Wir reden hier ja wohlgemerkt nicht über eine einfache empirische Frage, sondern über eine komplexe Thematik, bei der normative, empirische, pragmatische, strategische und andere Aspekte zusammenkommen.
Als jemand, der ausweislich dessen, was ich so geschrieben habe, sicherlich nicht als politisch Konservativer gelten kann oder möchte, frage ich mich: Nehmen wir in der DGPuK eigentlich zur Kenntnis, dass z.B. die Junge Union einen Friedrich Merz unterstützt hat. Die in der JU sind ja womöglich auch unsere Studierenden. Und ist es so einfach zu sagen, dass dort alle mit ihren Meinungen einfach nur nicht auf dem Stand der Wissenschaft oder sonstwie so fehlgeleitet sind (in der Genderdebatte oder auch in anderen Debatten), dass wir uns einfach gar nicht mehr damit beschäftigen müssen?